Plan B

Michael Merkel: Hospitale multo minus. 2023 Verbandsmaterial auf Holzrahmen | 38 × 28 × 3 cm

Gesellschaftliche Phänomene, die Übersetzung bzw. Decodierung von aktuellen Diskursen und die Auseinandersetzung mit virulenten Zukunftsfragen werden von Kunstschaffenden immer wieder in ihren Werken aufgegriffen und reflektiert: Kunst ist grundsätzlich Teil der Gesellschaft und wirkt in diese hinein, verändert sie und regt zu neuen Überlegungen und Einsichten an.

Für die gattungsübergreifenden Werke des Konzeptkünstlers Michael Merkel trifft diese Annahme ganz besonders zu. In seinen oft gegenständlichen Zeichnungen, Fotografien, Objekte und performativen Installationen setzt Michael Merkel sich mit Themen wie Krankheit, Gesundheitswesen, Stadtentwicklung und Gesellschaftstransformationen, Erinnerungskultur, aber auch Alltagsphänomenen wie Fußball auseinander. Im Rahmen der Ausstellung präsentiert Merkel drei Zeichnungen und zwei Bildobjekte aus Mullbinden.

Die minimalistischen Zeichnungen orientieren sich in ihrer Komposition an Schaubildern, die Daten, Informationen und spezifische Sachverhalte zum Inhalt haben. Versehen mit programmatischen Titeln – „Der große Plan“, „Der Masterplan“ sowie „Der Plan-B“ – zeigen sie auf lapidare Art und Weise eine zeitliche Abfolge von Ereignissen, die durch die Angaben „von hier – nach – da – nach – da – und dann irgendwie weiter“ gekennzeichnet sind. Die Schaubilder stellen lineare zeitliche Entwicklungen dar, allerdings belässt der Künstler Startpunkt, die zurückzuliegenden Etappen wie auch das Ziel im Nebulösen. Die inhaltliche Unschärfe, die zu der datenbasierten und damit wissenschaftlichen Aussage der gewählten Darstellungsform des Diagramms in starkem Kontrast steht, nutzt Michael Merkel, um uns mit der Unplanbarkeit bestimmter Ereignisse oder Schicksalsschläge zu konfrontieren. In seinen Recherchen am NCT/UCC hat er sich intensiv mit den Erfahrungen einer Psychoonkologin und eines forschenden Arztes befasst. Für beide Akteure wie auch für die Patientinnen und Patienten spielt die Hinterfragung von Gewissheiten und Planbarkeiten im Behandlungsverlauf eine wichtige Rolle. Es wurde deutlich, dass alle Prognosen immer auch einen Unsicherheitsfaktor in sich tragen. Die schematischen Zeichnungen begegnen dieser Unsicherheit und Verunsicherung und haben so etwas durchaus Tröstliches. Denn sie machen die Wegrichtung klar: Es geht voran, Schritt für Schritt, der Weg ist das Ziel. Wichtig ist es, diesen Weg nicht alleine gehen zu müssen.

Der Aspekt der Fürsorge und Versorgung ist auch zentrales Thema der Mullbinden-Objekte. Die monochromen Bilder bestehen aus gebrauchtem Verbandmaterial. Ihre abstrakte Oberfläche wird durch die Laufrichtung der Binden strukturiert, sie erinnern damit an Werke der italienischen Kunstrichtung „Arte Povera“. Hier haben Kunstschaffende in den 1960er-Jahren aus sogenannten „armen“, oft vorgefundenen Materialien minimalistische Werke konzipiert.

Michael Merkel: Der Masterplan. 2022 Bleistift und Folie auf Papier 27,5 × 57,5 cm

Michael Merkel: Der Plan-B. 2023 Bleistift und Folie auf Papier 40 × 27,5 cm

Michael Merkel: Der große Plan. 2019 Bleistift und Folie auf Papier 33,5 x 26,5 cm

 

Michael Merkel © pidelta.de

Michael Merkel (*1987 in Dresden, lebt und arbeitet in Dresden) studierte nach einer Ausbildung zum Holzbildhauer erst Germanistik, Kulturwissenschaften und Kunstgeschichte an der TU Dresden und der Uniwersytet Wrocławski (Polen), bevor er sein Kunststudium an der Akademia Sztuk Pięknych im. Eugeniusza Gepperta we Wrocławiu (Polen) sowie an der Bauhaus-Universität Weimar aufnahm. Er ist Meisterschüler bei Prof. Christian Macketanz an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Merkel erhielt bereits zahlreiche Stipendien und Preise, zuletzt 2023 das Atelierstipendium der Deutschen Bank.

Projektpartner:innen:

Beate Hornemann © Uniklinikum Dresden/Kirsten Lassig

Beate Hornemann – Psychische Belastungen mindern
Psychoonkologischer Dienst, NCT/UCC Dresden

Eine Krebsdiagnose wird häufig als Schock empfunden. Damit einher gehen können verschiedene Emotionen wie Sorgen, Ängste und Traurigkeit, welche die Betroffenen und ihre Angehörigen oftmals vor große Herausforderungen stellen. Der Psychoonkologische Dienst bietet stationären und ambulanten onkologischen Patientinnen und Patienten sowie ihren Angehörigen professionelle Hilfe an. Neben entlastenden Gesprächen beraten die Mitarbeitenden zum Umgang mit Krebserkrankungen und daraus entstehenden Anforderungen. Ziel ist es, die Krankheitsverarbeitung zu unterstützen, die psychische Befindlichkeit zu verbessern, soziale Ressourcen zu stärken, Teilhabe zu ermöglichen und damit die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten sowie ihrer Angehörigen zu erhöhen.

Lino Möhrmann © Uniklinikum Dresden/Gabriele Bellmann

Dr. Lino Möhrmann – Erbgutanalyse für maßgeschneiderte Therapien
Abteilung für Translationale Medizinische Onkologie, NCT/UCC Dresden

Modernste molekulare Analysemethoden ermöglichen es heute, bestimmte Veränderungen im Erbgut oder in anderen Bestandteilen von Krebszellen genau zu charakterisieren. Dieses Wissen ist eine wichtige Basis für zielgerichtete Therapien. Im DKFZ/NCT/DKTK MASTER-Programm richten die Forschenden den Fokus auf Patientinnen und Patienten, die an seltenen Krebsarten oder ungewöhnlich jung an Krebs erkrankt sind. Das Programm verknüpft eine breite molekulare Analyse von Tumor- und Kontrollgewebe mit der konsequenten Empfehlung und Umsetzung von zielgerichteten Therapien. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten u. a. zeigen, dass von diesem Vorgehen ein erheblicher Teil der Betroffenen profitieren kann, die an einem CUP-Syndrom (deutsch: Krebserkrankung mit unbekanntem Primärtumor) leiden – einer metastasierten und meist aggressiv wachsenden Krebserkrankung, bei welcher kein Ursprungstumor im Körper entdeckt werden kann (Möhrmann et al., Nature Communications 2022).