
Mehr Optionen für Patienten: Vorteile einer Ganzgenom-/RNA-Sequenzierung gegenüber breiten Panelanalysen
Die Weiterentwicklung molekularer Krebstherapien ist ein Schwerpunkt am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT/UCC) Dresden. Dabei ist unter anderem die Sequenzierung des Genoms von großem Interesse, bei der eine möglichst umfassende Analyse des Erbguts einer Zelle durchgeführt wird.
Die Weiterentwicklung molekularer Krebstherapien ist ein Schwerpunkt am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT/UCC) Dresden, einer gemeinsamen Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums mit der Medizinischen Fakultät der TU Dresden, dem Universitätsklinikum Dresden und dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf. Dabei ist unter anderem die Sequenzierung des Genoms von großem Interesse, bei der eine möglichst umfassende Analyse des Erbguts einer Zelle durchgeführt wird. Durch Unterschiede zwischen Tumorzellen und gesunden Zellen versucht man neue Ansatzpunkte für eine zielgerichtete Therapie ausfindig zu machen und zu nutzen. In der Praxis kommen für die Suche nach diesen Veränderungen unterschiedlich umfassende Techniken zum Einsatz. Wissenschaftler:innen der Abteilung für Translationale medizinische Onkologie des NCT/UCC haben zwei unterschiedliche Sequenziermethoden verglichen, um zu prüfen, welchen Einfluss die Wahl der Methode auf molekulare Therapieempfehlungen und -umsetzungen bei Patient:innen mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen hat.
Krebs entsteht durch Veränderungen im Erbgut von Zellen, die sie von gesunden Zellen unterscheiden und zu einem unkontrollierten Wachstum führen. Diese Veränderungen können aber auch Ansatzpunkte für eine zielgerichtete Behandlung sein. Deshalb ist es wichtig, diese zu identifizieren und bei der Therapieplanung zu berücksichtigen. Die dafür verwendeten Sequenzierungsmethoden können sich jedoch in Art und Umfang unterscheiden. In der Studie „Translational and clinical comparison of whole genome and transcriptome to panel sequencing in precision oncology“ untersuchten Forschende, ob die Ganzgenom- und RNA-Sequenzierung (WGS/TS) im Vergleich zur Panel-Sequenzierung mit der Beschränkung auf 523 tumorrelevante Gene auf DNS-Ebene mehr zielgerichtete Therapieempfehlungen und tatsächliche Therapieumsetzungen ermöglicht.
Dazu wurden Tumorproben von 20 Personen mit seltenen oder fortgeschrittenen Krebserkrankungen mit beiden Methoden analysiert und die daraus resultierenden Therapieempfehlungen und zugrundeliegenden molekularen Biomarker verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass etwa die Hälfte der Empfehlungen aus beiden Sequenziermethoden übereinstimmten, während rund ein Drittel der Empfehlungen aus der Ganzgenom- und RNA-Sequenzierung auf Biomarkern basierte, die durch eine Panel-Sequenzierung nicht erfasst werden können. Dies führte in zwei Fällen zu zusätzlichen Therapieumsetzungen, die mit der Panel-Sequenzierung allein nicht möglich gewesen wären.
„Die Studie stellt einen wichtigen Vergleich molekularer Therapieempfehlungen unterschiedlicher Sequenziermethoden dar“, erläutert Dr. Irina Kerle, Erstautorin der Studie. Damit ist es möglich, den tatsächlichen Einfluss der Methodik abzuschätzen. „Für die klinische Anwendung verdeutlichen die Ergebnisse, dass umfassende Sequenzierungen in bestimmten Fällen wertvolle zusätzliche Therapieoptionen aufzeigen können“, betont Professor Stefan Fröhling, Geschäftsführender Direktor des NCT in Heidelberg und Mit-Initiator des MASTER-Programms.
Die Forschungsergebnisse veranschaulichen, dass eine breite Panelsequenzierung bereits zahlreiche neue Therapiemöglichkeiten für Patientinnen und Patienten mit seltenen oder fortgeschrittenen Tumoren offenbart, deren Behandlung bisher begrenzt war. Dass in einigen Fällen die Ganzgenom- und Transkriptom-Sequenzierung zu zusätzlichen Therapieempfehlungen und -umsetzungen führt, unterstreicht laut Kerle die Notwendigkeit, diese Sequenziermethode künftig auszubauen. „Es freut mich, dass unsere Abteilung beide Sequenzierprogramme am Standort Dresden anbietet. So können wir mit translationalen und klinischen Forschungsprojekten zur Erweiterung molekularer Therapiemöglichkeiten beitragen“, betont sie.
„Die Studie zeigt einmal mehr die Bedeutung umfassender molekularer Analysen für eine personalisierte Tumortherapie, insbesondere bei seltenen und schwer behandelbaren Tumorerkrankungen“, erklärt Prof. Hanno Glimm, Geschäftsführender Direktor und Leiter der Abteilung Translationale Medizinische Onkologie am NCT/UCC, und Sprecher des Zentrums für Personalisierte Medizin in der Onkologie (ZPMO). „Mit der Teilnahme des Universitätsklinikums am gerade gestarteten Modellvorhaben Genomsequenzierung können wir diesen erfolgversprechenden Weg weiter beschreiten. Denn durch die Übernahme der Kosten einer Genomanalyse durch die Krankenkassen besteht für mehr Patientinnen und Patienten als bisher die Chance, ihre Therapie auf das individuelle molekulare Tumor-Profil abzustimmen.“
Die Sequenzierprogramme
DKFZ/NCT/DKTK MASTER-Programm für seltene fortgeschrittene Tumorerkrankungen und MASTERsg-Programm für fortgeschrittene Tumorerkrankungen mit absehbar ausgeschöpfter Standardtherapie: https://www.nct-dresden.de/de/fuer-patienten/behandlung/vom-gen-zur-therapie-das-nct-dktk-master-programm
Publikation:
„Translational and clinical comparison of whole genome and transcriptome to panel sequencing in precision oncology“: https://doi.org/10.1038/s41698-024-00788-3
Kontakt:
Dr. Irina Kerle
Translationale Medizinische Onkologie
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC)
irina.kerle@nct-dresden.de
www.nct-dresden.de
Prof. Hanno Glimm
Leiter der Abteilung
Translationale medizinische Onkologie
hanno.glimm@nct-dresden.de
Tel.: +49 (0) 351 458 5531