vom 11.10.2019

Brustkrebsmonat Oktober – Fortschritte in der Brustkrebs-Therapie

Vor wenigen Wochen wurde erstmals eine zielgerichtete Therapie gegen eine besonders aggressive Form von Brustkrebs in der EU zugelassen. Sie erhöht die durchschnittliche Überlebenszeit einer bestimmten Gruppe von Betroffenen deutlich. Mediziner sprechen gar von einem Quantensprung. Erstmals wurden auch zwei Wirkstoffe aus der Gruppe der PARP-Inhibitoren zur Behandlung von Brustkrebs in der EU zugelassen. Die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden war als Studienzentrum an den für die Zulassung der Wirkstoffe maßgeblichen Studien beteiligt. Die hohe Aktivität der Klinik in der Erforschung neuer Therapien wird durch ein fächerübergreifendes Netzwerk aus Spezialisten im Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) maßgeblich befördert. Als Zentrum für familiären Brust- und Eierstockkrebs kann die Klinik einem erweiterten Kreis von Patientinnen genetische Analysen als Voraussetzung für die mögliche Behandlung mit den neuen PARP-Inhibitoren anbieten.

Der so genannte triple negative, also dreifach negative Brustkrebs ist eine äußerst aggressive Unterform des Mammakarzinoms, gegen den es bislang nur wenige Behandlungsmöglichkeiten gab. Ein neuer Wirkstoff aus der Klasse der Checkpoint-Inhibitoren bietet nun in vielen Fällen eine neue Therapieoption, die das körpereigene Immunsystem reaktiviert.

Charakteristisch für dreifach negativen Brustkrebs, an dem etwa 15 Prozent der Patientinnen mit Mammakarzinom leiden, ist, dass sowohl Östrogen- als auch Progesteron-Rezeptoren sowie eine übermäßig Bildung des HER2-neu-Rezeptors – eine HER2-neu-Überexpression – fehlen. Andere Tumoren der Brust lassen sich genau an diesen Stellen mit zielgerichteten Therapien angreifen. Bei einer fortgeschrittenen dreifach negativen Brustkrebserkrankung war hingegen bislang eine Behandlung fast ausschließlich mittels Chemotherapie möglich.

Eine großangelegte internationale Studie mit 902 Patientinnen mit metastasiertem oder nicht-operablem dreifach negativem Brustkrebs hat nun gezeigt, dass eine Kombination aus Chemotherapie und dem zielgerichteten Wirkstoff Atezolizumab unter bestimmten Voraussetzungen deutliche Vorteile bringt. Bei Atezolizumab handelt es sich um einen so genannten Checkpoint-Inhibitor. Checkpoint-Inhibitoren vermögen es, einen Bremsmechanismus zu lösen, mit dem Tumoren die gegen die Erkrankung gerichtete Reaktion des Immunsystems lahmlegen können. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Atezolizumab vor allem dann wirkt, wenn in den Tumor eingewanderte Immunzellen ein bestimmtes Protein – PD-L1 – auf mindestens einem Prozent ihrer Oberfläche tragen. Dies ist bei rund 40 Prozent der Patientinnen mit dreifach negativem Brustkrebs der Fall.

„Bei den Patientinnen mit einem solchen positiven PD-L1-Status konnte die mittlere Überlebenszeit durch die kombinierte Gabe von Atezolizumab und einer Chemotherapie um knapp zehn Monate verlängert werden. Das ist ein Quantensprung in der Behandlung dieser speziellen Tumorform“, sagt Prof. Pauline Wimberger, Direktorin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Universitätsklinikum Dresden und Mitglied im erweiterten Direktorium des NCT/UCC Dresden. Anfang September 2019 hat die Europäische Arzneimittelagentur Atezolizumab zur Behandlung bei fortgeschrittenem dreifach negativem Brustkrebs zugelassen. „Voraussetzung für die Therapie ist, dass zunächst bei einer aus dem Tumor entnommenen Gewebeprobe die PD-L1-Positivität nachgewiesen wird. Dann können Patientinnen ab sofort mit der neuen Methode behandelt werden“, erklärt Prof. Wimberger.

Neue Wirkstoffe bei BRCA1/2-Genveränderungen

Ein weiterer, im April dieses Jahres in Europa zur Behandlung von Brustkrebs neu zugelassener zielgerichteter Wirkstoff, ist der PARP-Inhibitor Olaparib. Bisher waren PARP-Inhibitoren in Europa nur zur Behandlung anderer Krebserkrankungen, wie etwa Eierstockkrebs, zugelassen. Der Wirkstoff kann eingesetzt werden, wenn Betroffene mit einer metastasierten Brustkrebserkrankung eine erbliche BRCA1/2-Genveränderung tragen und ihre Tumorzellen keine HER2-Überexpression  aufweisen. In der für die Zulassung maßgeblichen OlympiAD-Studie konnten vor allem die Nebenwirkungen durch die Behandlung mit dem zielgerichteten Medikament im Vergleich zu einer Chemotherapie deutlich reduziert und die Lebensqualität der Betroffenen verbessert werden. „Als Zentrum für familiären Brust- und Eierstockkrebs können wir allen Patientinnen mit dreifach-negativem Brustkrebs bis zum 50. Lebensjahr bereits in der nicht-metastasierten Situation auch dann eine BRCA1/2-Analyse anbieten, wenn keine familiäre Häufung von Brustkrebs-Erkrankungen erkennbar ist. Außerhalb solcher Zentren wird die Analyse in diesem Fall, also im Frühstadium, nicht von den Kassen getragen“, sagt Prof. Wimberger.

Die Gene BRCA1/2 sind für die Reparatur von Fehlern in der Erbinformation menschlicher Zellen (DNA) verantwortlich. Träger dieser Mutation erkranken häufiger und vergleichsweise jung an Brust- und Eierstockkrebs sowie weiteren Krebsarten. Die gestörten Reparaturmechanismen sind zum einen Ursache des Krebsleidens, bilden aber auch die Achillesferse für die Tumorzellen. Diese müssen nämlich auf alternative Formen der DNA-Reparatur ausweichen, wenn sie selbst überleben wollen. Hierbei spielt das Enzym Poly-ADP-Ribose-Polymerase (PARP) eine wichtige Rolle. Wenn dieses medikamentös gehemmt wird – durch PARP-Inhibitoren – dann kommt es insbesondere bei BRCA1- oder BRCA2-mutierten Tumorzellen gehäuft zum Zelltod.

Im Juni 2019 wurde ein weiterer PARP-Inhibitor – „Talazoparib“ – zur Behandlung von fortgeschrittenem Brustkrebs bei BRCA1/2-Genveränderung und HER2-Negativität in der EU zugelassen. Eine Studie mit über 400 Probandinnen hatte unter Dresdner Beteiligung zuvor gezeigt, dass sich mithilfe der zielgerichteten oralen Therapie der Zeitraum bis zum weiteren Fortschreiten der Erkrankung im Vergleich mit einer Chemotherapie vergrößern lässt.

„Unser großes Ziel ist es, nicht heilbare Krebserkrankungen in eine chronische Erkrankung umzuwandeln, mit der die Patientinnen und Patienten lange und gut leben können. Um Fortschritte in der Therapie zu erzielen, sind Studien ein wesentlicher Baustein. Betroffene erhalten im Rahmen von Studien zudem vielfach Zugang zu Wirkstoffen, die dann erst Jahre später zugelassen werden. Wir sind froh, dass wir an unserer Klinik und am NCT/UCC vielen Patienten eine Teilnahme an einer Studie anbieten können“, sagt Prof. Wimberger.

Über den Brustkrebsmonat Oktober
Der Brustkrebsmonat Oktober soll international die Vorbeugung, Erforschung und Behandlung von Brustkrebs in das öffentliche Bewusstsein rücken. Er geht zurück auf eine Initiative der American Cancer Society aus dem Jahr 1985.